Rückwärts ist vorwärts (2)

Am 10. Januar 2016 ist David Bowie gestorben. Warum hat mich diese Nachricht so umgehauen? Ich hatte mir gerade die neue Platte Blackstar gekauft, die wenige Tage vor seinem Tod erschienen ist. Meine erste Bowie-Platte. 43 Jahre, nachdem ich zum ersten Mal von ihm gehört hatte.

1973 haben meine Eltern mich in den großen Ferien für vier Wochen nach England geschickt. Zehn Jahre zuvor waren wir von dort, wo wir eineinhalb Jahre gelebt hatten, nach Bayern gezogen, und ich kam in die Schule. Die Kontakte von damals existierten noch, ich wurde herumgereicht, traf „alte Bekannte“ wieder, fühlte mich fremd und hatte Heimweh. Wenige Erinnerungen sind mir von diesem Besuch geblieben, zusammengefasst lassen sie sich auf die Formel bringen „Alles ziemlich schräg“. Ganz genau kann ich mich allerdings noch an Freundin Deborah erinnern, die im zuckerbäckrigen Elternhaus mit eckigen Bewegungen herumsprang zur Musik eines klapperdürren David Bowie, von dem ich noch nie gehört hatte und den ich damals so unverständlich und abstoßend fand wie eine Egon Schiele-Figur. Mir, die ich Carlos Santanas „Samba pa ti“ in Endlosschleife hörte, hätte ein Alien von einem fremden Stern nicht fremder sein können.

Dieser Alien tauchte dann aber über die Jahrzehnte immer wieder an meiner Peripherie auf. Er war einfach immer irgendwie da – und nie wirklich entschärft, wie viele andere seiner Kollegen. Und weil meine musikalische Entwicklung vielleicht nicht gerade typisch verlief, trafen sich die beiden jetzt wie Parallelen im Unendlichen. Der Spiegel schreibt in seiner Online-Ausgabe am 11. Januar: Wo er war, war vorn.

Das Seltsame ist, je älter ich wurde, desto mehr hatte ich das Gefühl, auch vorn zu sein. Je älter ich werde, desto eher bin ich bereit, mich auf das Schräge einzulassen. Desto mehr langweilt mich das Vorhersehbare. Desto bereitwilliger lasse ich mich überraschen. Das hat David Bowie diesmal in unnachahmlicher Weise hingekriegt. Es hätte nicht unbedingt so krass sein müssen.

Blackstar