Liebe Saxonia!

Endlich finde ich die Zeit, dir zu schreiben. Wir kennen uns zwar noch nicht lange. Erst vor einem knappen halben Jahr hatte ich erstmals die Ehre, auf einem deiner Rollsitze Platz zu nehmen. Aber ich hatte gleich so ein gutes Gefühl … Und das, obwohl du ganz offensichtlich schon deutlich in die Jahre gekommen bist (Da haben wir eine Gemeinsamkeit 😉). Seit wie vielen Jahren tust du schon Dienst im Verein? Die Statistik zeigt, dass du unter den am häufigsten genutzten Booten bist. Was vielleicht daran liegt, dass du ein wendiger, einigermaßen stabiler Gig-Zweier bist, mit dem auch Anfänger ihren Spaß haben können, ein Allrounder, mit dem jeder gut zurecht kommt. Und der so schnell nichts übel nimmt. Aber genau dazu wollte ich dir meine Gedanken mitteilen. Ich finde nämlich, du wirst nicht mit genügend Respekt behandelt. Eigentlich bekommt jeder Ruderer am Beginn seiner Laufbahn vermittelt, wie man mit einem Boot und dem dazu gehörigen Equipment umgeht. Jedenfalls sollte es so sein, und wenn nicht, dann denkt man doch, es sei eine Selbstverständlichkeit, dass man sein Sportgerät pfleglich behandelt. Zugegeben, als Ruderboot machst du es einem nicht unbedingt leicht. Du bist schwer, musst hochgehoben, heruntergelassen, über Strecken transportiert werden, das macht einigen deiner NutzerInnen ganz schön zu schaffen. Und dann noch die Sache mit dem Wasser. Das ist ja eine wacklige Angelegenheit, oft kommt noch der Wind dazu. All das ist nicht immer leicht zu kontrollieren und hat dir bestimmt schon die eine oder andere Schramme beschert.

Dass du zwei Ruderer aufnimmst und nicht nur einen, hat auch so seine Tücken. Je mehr es sind (Ich denke in diesem Brief auch an deine Kollegen im Bootshaus), desto schwieriger ist es, die Abläufe zu koordinieren, irgendwie bricht meistens so eine kleine Hektik aus. Wenn nicht jeder Handgriff sitzt – und das tut er fast nie –, dann kann es ganz schön rumpeln, zu Wasser und zu Land. Man sieht es dir an.

Saxonias Kiel
Hauptsache, du hältst dicht.

Es klingt vielleicht seltsam, Saxonia, wenn ich hier von Liebe spreche. Aber ich finde du verdienst es, wenn deine Ruderer dich und deinesgleichen liebevoller behandeln. Sie meinen es nicht böse, sie denken einfach nicht daran, und vieles wissen sie auch nicht. Du bist ein Sportgerät und für den Spaß da, für die Kür. Das Drumherum, das Säubern des Bootes, das Verräumen, das Tragen und Wenden, das alles ist die Pflicht. Zu allem Überfluss herrscht oft sogar bei den Experten noch Uneinigkeit, wie es richtig ist. Darf man das Boot am Dollbord tragen, womöglich an den Auslegern (natürlich nicht!!!), oder nur an den Querstreben? Was ist das überhaupt, ein Dollbord? Und wie heißen die anderen Teile deiner Anatomie? Darf die Bootshaut belastet werden (natürlich nicht!!!)? Darf man sich zwei Skulls auf eine Schulter packen oder gehört auf jede Seite einer? Ist der Griff des Skulls nach dem Rudern ins Wasser zu tauchen oder ist das nicht nötig? Gehören die Blätter konvex oder konkav auf den Steg? Werden die Rollschienen nass oder trocken gereinigt? Und so weiter.

Es läuft ja. Du bist ein tolles Boot, so wie der Rest der Truppe im Bootshaus. Jedes hat seinen eigenen Charakter, und eigentlich seht ihr alle ziemlich gut aus. Und alt zu sein, ist keine Schande. Ich wollte nur mal gesagt haben, dass ich finde, ihr habt Aufmerksamkeit und Zuwendung verdient.

Dass du das alles über die lange Zeit so mitmachst, ja, vielen Dank.

Ich hoffe, du bleibst uns noch lange erhalten. Die paar Macken sind ja eigentlich auch irgendwie cool.

Liebe Grüße
Bettina

P. S.: Wenn ich mal für dich sprechen darf, würde ich deinen Ruderern sagen: In der Ruhe liegt die Kraft. Und Regeln sind für alle da und meistens auch für etwas gut.