Was für eine Geschichte! Wir unterhalten uns mit unserer Trainerin Karin, die als solche voll den Durchblick hat, über die Freuden und Leiden als Steuerfrau im Ruderboot. Und nachdem wir eine Weile gequatscht haben, erzählt sie, dass sie ihren Platz am Steuer schon einmal mitten auf dem Wasser verlassen hat und ans Ufer geschwommen ist. Wow, die perfekte Symbiose von Frust und Mut!
Ich habe gerade die Krise, weil ich mich als Steuerfrau verpflichtet habe und nichts gelingen will. Allerdings verbinde ich mit einigen Steuereinsätzen in der Vergangenheit auch nicht gerade viel Vergnügen. Die Verantwortung ist groß, und nicht jeder ist so talentiert wie Martin Sauer, der langjährige Steuermann des Deutschlandachters. Der war ein Star in der Szene, und ich empfehle jedem, der sich damit beschäftigen will, das Interview mit ihm auf der Website des DRV zu lesen.
Zwei Steuerereignisse werden mir für immer in Erinnerung bleiben. Das eine war bei der Vogalonga, wo ich nach einer Fuß-OP 2019 am Steuer eines Vierers gesessen habe. Fremdes Boot, fremdes Revier, fremde Mannschaft, das allein hätte schon gereicht, um Respekt einzuflößen. Aber eine Regatta mit 1200 Booten am Start, das ist eine besondere Nummer. Als ob man nach einem Gewitter durch ein Feld von Treibholz manövrieren müsste. Ich habe es schon an anderer Stelle geschrieben, der eigentlich vorgesehene Spaß hielt sich bei dieser Fahrt für mich in Grenzen.
Gar nicht gerne erinnere ich mich an eine Fahrt, bei der ich einem Schlagmann gegenübersaß, der mir die Fahrt zur Hölle gemacht hat. Wie? Indem er mir genervt und ständig dreinredend jede Chance genommen hat, zu mir zu kommen. Dass auch andere im Boot noch ihren Senf dazugaben, machte die Sache nicht besser. Zwar hatte ich keine Revierkenntnis, war neu im Verein und hatte ewig keinen Achter gesteuert – ein Extramanöver mussten wir auch noch fahren –, und vielleicht war ja auch alles gut gemeint. Aber am Ende hatte ich nicht vom Anfeuern keine Stimme mehr, sondern weil ich den Tränen nahe war.
Nun gut. Was ich sagen will: Steuern ist kein Kinderspiel. In der Regel wollen die wenigsten den Steuerplatz einnehmen. Alle wollen rudern. Natürlich will ich das auch. Trotzdem fühle ich mich herausgefordert. Wenn es nun einmal dazugehört, dann will ich es auch können. Und habe es schon erfolgreich gemacht.
Wie bereits erwähnt, fühle ich mich in meiner Funktion als Steuerfrau gerade ziemlich mies. Es ist, als hätte ich ein Brett vor dem Kopf, fast alles, was ich schon einmal wusste oder konnte, hat sich in Luft aufgelöst. Kein Anlegemanöver gelingt auf Anhieb, die Kommandos sitzen nicht, das Team ist mies drauf. Bei der Suche nach den Gründen ist mir klar geworden, dass für mich das Zusammenspiel mit dem Team essenziell ist. Ruderer und Steuerfrau müssen sich kennen und einander vertrauen. Wenn das nicht gegeben ist, und bei uns ist das aus verschiedenen Gründen gerade der Fall, dann ist der Wurm drin.
Wer steuern will, braucht ein starkes Rückgrat. Damit gibt er der Mannschaft Sicherheit. Aber umgekehrt wird auch ein Schuh draus. Viele Ruderer, sagt Karin, nehmen die Arbeit des Steuermenschen wie eine Dienstleistung an. Toleranz, Respekt, Kooperationsbereitschaft und – mein besonderer Wunsch – eine Prise Humor dagegen machten die Sache für alle leichter. Wir erarbeiten uns die Fahrt gemeinsam. Natürlich werden wir nie so gut sein wie der Deutschlandachter. Aber eine Scheibe davon abschneiden möchten wir uns schon.
Titelbild: Mit freundlicher Genehmigung von Erik Liebermann, www.liebermann-cartoons.de
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