Rudern und drumrum

Es knallt bei Pingo Doce

# Warum wir nicht geblieben sind 2

Dass ich Tierliebhaberin bin, wissen viele, die meine Texte schon länger lesen. Und dass ich erklären will, warum wir nicht in Portugal geblieben sind, habe ich hier auch schon angekündigt. Beides hängt zusammen. Pingo Doce, das ist eine Supermarktkette in Portugal, und was da knallt, sind die Hackmesser der Mitarbeiter der Fleischabteilung, die unaufhörlich und unüberhörbar ihr Werk verrichten. Ja, in Portugal wird Fleisch gegessen, wie überall auf der Welt, und Fisch auch, in rauen Mengen.

Hier ein Post der Associação Vegetariana Portuguesa auf Instagram

Freie Übersetzung

Weltweit hat der Verzehr von Fleisch und Fisch unvorstellbare Ausmaße angenommen. Selbst in Indien, wo man sich traditionell eher vegetarisch ernährt hat, nimmt der Fleischkonsum seit Jahrzehnten drastisch zu. Man sieht es den Leuten an, schlank wie Gandhi sind dort – jedenfalls in den „besseren“ Gegenden – nur noch die wenigsten.

Es geht mir nicht nur um den Fleischkonsum mit all seinen Begleiterscheinungen. Was ich in Portugal vor Augen hatte, ist die Gedankenlosigkeit, mit der Fleisch und Fisch überkonsumiert werden. Man ist so stolz auf die eigene Fischerei und rühmt sich, eine der besten Küchen der Welt zu haben – was eine absurde Behauptung ist. Fisch aufn Grill hauen, Öl drüber, etwas Salz, dazu Kartoffeln, ebenfalls in Öl, sowie, wenn’s hoch kommt, etwas matschiges Gemüse oder ein kümmerlicher Salat, dazu gehört nicht viel, aber ich würde es das Highlight der portugiesischen Küche nennen. Ansonsten liebt man Frittiertes, fette Soßen, und kann mit Gewürzen nicht viel anfangen. Mir tut jedes Tier Leid, das für diese Pampe sein Leben lassen muss (z.B. zerrupfter Kabeljau, vermengt mit in Ei eingeweichten Kartoffelstiften aus der Tüte – nennt sich Bacalhau à Brás). Im Supermarkt sehe ich die Leute säckeweise totes Tier in den Einkaufswagen legen, und weil ich die Schreie der Schweine in den Mastbetrieben im glutheißen, sommerlichen Altentejo noch im Ohr habe und jetzt das Knallen der Hackmesser, halte ich den Anblick kaum aus.

Unsere Gaslieferantin, eine gebildete Frau mit gutem Englisch, sagt zu mir: „Ich würde ja gerne Gemüse essen. Aber mir schmeckt’s nicht.“ Wundert mich nicht, bei der „Kochkunst“. Fleisch ist halt Umami.

In Südeuropa, Osteuropa, fast überall auf der Welt ist die Einstellung zu Tieren nichts für Zartbesaitete. Ein eigenes Kapitel, das ich in Portugal vor Augen hatte, ist der Umgang mit den Tieren, mit denen man lebt. Kettenhunde, Streuner, verwahrloste Katzen sind noch das Harmloseste. In unserer Nachbarschaft hat eine Frau zwei Katzen auf dem Balkon gehalten, lebenslang. Der Rolladen zur Wohnung wurde nur aufgemacht, um Futter unten durchzuschieben, und einmal in der Woche wurde sauber gemacht. Irgendwo in der Nähe hat ein Hund gebellt, ich weiß nicht, wie viele Tage lang, bis es irgendwann aufgehört hat. Welches Schicksal hatte er? Mein Mann sagt: Die Portugiesen halten ihre Hunde wie Kanarienvögel (Und ich sage: Im besten Fall). Ich folge (auf Instagram) einer Tierschutzorganisation, der IRA = Intervenção e Resgate Animal. Deren Mitarbeiter, kräftige Kerle in martialischem Outfit, stets in Schwarz und mit Springerstiefeln, treten ihren Landsleuten gewaltig auf die Füße – wenn sie sie zu fassen kriegen, meist weil Nachbarn denunzieren. Jedenfalls denen, die ihre Tiere vernachlässigen, verhungern lassen (im Hinterhof oder direkt neben dem Sofa vorm Fernseher), misshandeln etc. Die eigentlich strengen portugiesischen Tierschutzgesetze sind das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind. Das Ganze ist also nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

So sieht das oft aus …
in portugiesischen Hinterhöfen

Die ersten Male, als ich beim Pingo Doce in Setúbal einkaufen war, saß davor ein Mann, der mit seinem Akkordeonspiel ein bisschen Geld verdienen wollte. Als besondere Attraktion hatte er ein kleines Hündchen dabei, einen Rehpinscher, den er oben auf sein Instrument gelegt hat und der dort stundenlang in verkrampfter Haltung ausharren musste. Ich habe ihn angesprochen, in meinem rudimentären Portugiesisch, und versucht zu erklären, dass das Tierquälerei ist. Irgendwie hat er mich verstanden, denn wenige Tage später war er nicht mehr da. Sicher ist er weitergezogen.

Man braucht ein dickes Fell, um das auszuhalten. Die meisten Portugiesen gehen darüber fatalistisch hinweg und geben sich dennoch tierlieb. Wenn wir mit unserer Gina aufgekreuzt sind, war stets die Begeisterung groß. Eine Nachbarin zeigt mir voller Stolz die 20 bunten Vögelchen, die an der Wand aufgereiht in Käfigen in einer nach Diesel und Öl stinkenden Garage gehalten werden. Mancher füttert streunende Hunde und Katzen, aber auf die Idee, sie kastrieren zu lassen, kommt er nicht. Obwohl es Vereine gibt, die dies kostenlos übernehmen.

Mit unserer Gina sind wir überall gut angekommen. Sie war ja auch wirklich süß.
Das war den drei Ausreißern aus der Quinta bei Tavira egal, als sie sich auf sie gestürzt haben.
So sah Diabo (Teufel) aus, als wir ihn aufgelesen haben. Seine Besitzer haben sich nicht um ihn gekümmert.
Bei uns gab’s Kastration (Straßentieren wird dabei ein Stück vom Ohr gekappt), Katzenfutter und Ruhe.
Monate später, wir waren weggezogen, sah er so aus. Es ist ein Kampf gegen Windmühlenflügel.

Es ist zum Heulen. Es sind Lebewesen, und es ist nicht egal, es geht nicht nur um uns, aber wir sind die Ursache von fast allem. Die Gleichgültigkeit, der Fatalismus, der stumpfe Blick der Portugiesen, das hat mich fertig gemacht. Es ist mir auf Schritt und Tritt begegnet (andere Menschen sehen das Elend gar nicht), und es ist einer der Gründe, warum wir nicht geblieben sind. Fakt ist natürlich, das gibt es überall auf der Welt. Selbst guten Freunden ist es teilweise egal. Aber hier in Deutschland ist es weniger schlimm.

Und ein letzter Satz: Natürlich gibt es Ausnahmen, Menschen, auch in Portugal, die so fühlen und handeln wie ich. Die Kommentare zu den Instagram-Posts der IRA zeugen davon.

Diese hier sind zumindest nicht unterernährt. Die weiße Stute (Herdentier) fristet ihr Dasein einsam und allein auf einer Koppel angeleint und immerhin während unseres Aufenthalts an der Algarve mit Snacks versorgt. Was sie unbedingt bräuchte, ist Hufpflege. Die Pferde der „Ciganos“ führen ein Leben wie vor 100 Jahren, genauso wie ihre Besitzer. Sie sind Nutztiere und nichts sonst.

Und das hier kennt man ja. Dieses Bild, das vermutlich aus Spanien stammt (Portugal treibt’s nicht ganz so wild) und alle anderen außer den Kater-Fotos und dem Foto von der weißen Stute sind Screenshots, die ich auf Instagram gemacht habe.

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