Rudern und drumrum

Südafrikas Pinguine

Es könnte so schön sein. Aber das Lachen bleibt mir im Hals stecken. 2015/16, 2017/18 habe ich in diesem Land Ruderurlaub gemacht, habe diesen Blog begonnen. Meine Begeisterung lässt sich nachlesen. Jetzt bin ich wieder hier, und noch bevor ich einen Fuß in ein Ruderboot gesetzt habe, fällt mein Blick auf Infoplakate, die hier aus gutem Grund hängen. Südafrikas Pinguinen geht es nicht (mehr) gut. Was für eine Neuigkeit!? Auch das Internet spült sie mir zu, ich habe wohl vor kurzem das Wort Pinguin laut ausgesprochen.

Wer diesen Beitrag der Tagesschau vom Oktober 2023 liest, hat eigentlich schon alles erfasst. Besser kann ich die Situation auch nicht beschreiben. Was mich erschüttert – neben dem Sachverhalt selbst –, ist die Tatsache, dass ich noch vor wenigen Jahren voller Glücksgefühle am Boulders Beach angelegt habe, in einer Bucht, die eine stattliche Pinguinpopulation beherbergt. Ohne im geringsten daran zu denken, wie es um diese Tiere steht. Wo das herkommt, was es bedeutet – ich hätte es wissen können. Allerdings hätte das einen mentalen Kraftakt bedeutet, denn zum einen war ich berauscht von dieser außergewöhnlichen, phantastischen Ruder- und Naturerfahrung, und zum anderen habe auch ich meine Verdrängungsmechanismen. Und was hätte ich davon gehabt? Schlechte Laune?

Wenn ich mich umschaue und frage, was sich in den sieben Jahren verändert hat, die wir nicht mehr hier waren, dann sehe ich nicht viel Gutes. Unsere Boote werden nicht mehr unter Einsatz von Frischwasser mit Schlauch und großzügig Chemie nach den Ausfahrten gesäubert. Es geht jetzt mit Eimer und Schwamm und nur einem Spritzer von dem Zeug, das es meiner Meinung nach ohnehin nur in Ausnahmefällen braucht. Es gibt den einen oder anderen Bioladen mit sehr überschaubarem Angebot, aber immerhin. Und unsere Vermieterin erklärt uns, dass sie aus Umweltschutzgründen kein Küchenpapier zur Verfügung stellt (leider auch sonst nichts, womit man mal etwas aufwischen könnte).

Nicht geändert hat sich, dass die Damen und Herren Ruderer nach den Ausfahrten, die fast täglich stattfinden, sich hingebungsvoll und ebenfalls unter Einsatz von reichlich Schaum in den Vereinsduschen reinigen, ein Vorgang, der mir fremd ist. Auch ohne mir Gedanken über die Umwelt zu machen, habe ich mich früher schon meist nur kurz abgebraust und dann für sauber befunden. Beim gemeinsamen Frühstück werden köstlich aussehende Toasts bestellt, belegt mit Avocado – die gibt es hier frisch und herrlich reif – und immer, immer, immer begleitet von Bacon, Hackfleisch oder Lachs, dazu Ei in allen Variationen. Ein Sitznachbar fragt mich gleich am ersten Tag, warum ich nichts bestelle (inzwischen habe ich die vegetarische Variante entdeckt), ob das wohl gesundheitliche Gründe habe. Meine Antwort, dass ich dies unter anderem aus Mitgefühl mit den Tieren tue, veranlasst ihn zu der Aussage, dass er Tiere auch liebe, lebendig, aber auch tot auf dem Teller.

Ich bemühe mich, verantwortungsvoll durch das Leben zu gehen, wenngleich viele auch meiner Entscheidungen fragwürdig sind. Immerhin bin ich mir der Situation bewusst, aber wenn ich mich umsehe, stoße ich fast nur auf menschlichen Wahnsinn. Die Psychologie erklärt das, was wir uns antun, mit dem Begriff der kognitiven Dissonanz. Dieses Phänomen, das den Umgang von Menschen mit sich widersprechenden Informationen beschreibt – ich weiß, dass ich nicht rauchen sollte, aber ich tu’s trotzdem – greift heutzutage zu kurz, finde ich. Ich glaube, dass die Kräfte, die wir aufwenden müssten, um vor dem, was geschieht, die Augen zu verschließen, inzwischen so groß sind, dass der erste Teil des Satzes „Ich weiß, …“ nicht mehr zutreffend ist. Ich glaube, bei vielen Menschen dringt dieses „Wissen“ nicht mehr vor bis in Hirn und Herz. Im Dickicht all dessen, was wir heute wissen könnten und was uns ständig um die Ohren fliegt, leben sie nach dem Motto „Ich tu’s“, ohne zu erkennen, was sie da tun. Anders kann ich mir das alles nicht erklären.

Möglicherweise klingt das alles sehr bitter. Wenn überhaupt, dann soll es verzweifelt klingen. Ich habe heute Morgen Tränen vergossen bei der Lektüre des Artikels der Tagesschau. Wem geht es genauso? Wie kann man damit leben?

Ich möchte übrigens nicht unsere südafrikanischen Freunde verurteilen. Es sind wir alle. In unserem deutschen Verein schreibt einer in seinem WhatsApp-Profil „Verheiz die Reifen, nicht die Seele“. Was soll ich dazu sagen?

Blick über die False Bay und unser Ruderrevier. Abends stehen am Ufer Menschen aufgereiht und angeln, die drei Boote links unten gehören auch dazu. Das bisschen Fisch, das sie vielleicht rausziehen, ist nicht das Problem. Es sind die internationalen Trawler draußen vor der Küste, die sich in großem Stil bedienen. Und nicht nur das.

Nachtrag: https://sanccob.co.za/ Zum Glück gibt es immer wieder Versuche, den Prozess aufzuhalten. Es ist ein Kampf David gegen Goliath. Wie ist der nochmal ausgegangen?

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