Rudern und drumrum

Trainer sind auch nur Menschen

Die wenigsten von uns waren schon einmal als Trainer tätig. Aber alle wurden schon einmal trainiert und wissen daher, wie sich das anfühlen kann. Von total super bis absolut mies ist alles möglich. Ich trainiere in dieser Saison unsere Anfänger, und dabei wird überraschend viel gelernt … unter anderem von mir über mich.

Aber fangen wir klassisch an. Im Internet findet sich genügend Information darüber, was nach den Regeln der Kunst ein guter Trainer ist. Im folgenden Video erklärt es uns Antje Heimsoeth – ihres Zeichens Mental Coach und Motivationstrainerin.

(Youtube link – Video startet in neuem Tab)

In ihrem Text spricht Antje Heimsoeth einen Satz aus, der mich beschäftigt:

Man muss Menschen mögen

Denn abgesehen davon, dass Trainer ihr Handwerkszeug beherrschen sollten, menschelt es in der Trainingswelt ganz gewaltig. Die Autorität, die eine Trainerin braucht, muss so beim Gegenüber ankommen, dass diese/r sich verstanden, ernst genommen und fair behandelt fühlt. Es ist eine Gratwanderung, das im Blick zu haben und gleichzeitig trotzdem klare Ansagen zu machen. Das gelingt nicht jeder/jedem gleich gut.

Wir sind ein Breitensportverein, und da geht es in erster Linie darum, den Anfängern die Basics beizubringen, damit diese sich möglichst bald unter das gemeine Rudervolk mischen können. Wenn man weiß, wie anspruchsvoll dieser Sport ist, und wenn man sieht, was für ein bunt gemischtes Häuflein Menschen da vor einem steht, dann hat man schon eine Vorstellung davon, was das für die Trainer bedeutet. Körpergröße, Sportlichkeit, Konzentrationsfähigkeit, Körperbeherrschung – jede/r ist anders, und das zu homogenisieren, ist eine echte Herausforderung.

Am besten kommen nach meiner Beobachtung diejenigen mit dieser Aufgabe klar, die über eine Engelsgeduld verfügen. Mein Mann zum Beispiel, der von Technik im Allgemeinen etwas versteht, ein leidenschaftlicher Erklärbär ist und mit Geduld ohne Ende gesegnet, der packt das ganz locker. 20 Wiederholungen des immer gleichen Kommandos sind für ihn kein Ding. Bei mir und manch anderer sieht das anders aus. Ich muss mich sehr zusammenreißen, damit sich der Ton nicht irgendwann verschärft. Denn, das weiß ja jeder:

Der Ton macht die Musik

Aber wie so oft bei solchen Sprüchen liegt in ihnen nicht die ganze Wahrheit. Ich steige als Trainerin manchmal aus dem Boot und frage mich, ob ich meine Mannschaft zu hart angefasst habe, woran es liegen mag, dass der Trainingsfortschritt so langsam ist oder ganz auszubleiben scheint. Ob ich das Recht habe, genervt zu sein? Ob ich didaktisch, technisch und menschlich gut genug bin? Zu viel Selbstreflexion ist vermutlich keine gute Idee und führt zu Unsicherheit, die sich auch auf die Teilnehmenden auswirkt. Zu wenig dagegen auch nicht. Ganz ohne Empathie geht es nicht, und übersetzt heißt das wohl: Man muss die Menschen mögen.

Es gibt Ruderanfänger, die verhalten sich unkooperativ und erwarten dennoch Full Service. Das ist unsportlich, und da hört bei mir der Spaß auf. Dann gäbe ich etwas darum, wenn ich meinem Herzen Luft machen könnte bis hin zum Rausschmiss. Zum Glück sind nur wenige so. Die meisten sind bemüht und bringen idealerweise eine Portion Frustrationstoleranz mit. Es ist wie bei allem eine Sache auf Gegenseitigkeit.

Vor wenigen Wochen hat die Olympiade in Paris geendet. Natürlich habe ich die Fahrten der deutschen Ruderer verfolgt. Ich habe einige Dokumentationen gesehen, in denen der Trainingsalltag dieser Spitzenruderer dargestellt wird. Was für ein Druck, was für eine Anstrengung! Besonders nahe ging mir der Bericht über die Vorbereitung des Frauen-Doppelvierers, der, als es so weit war, mit einer tollen Aufholjagd Bronze geholt hat. Die Trainer: Konzentriert und professionell. Aber sichtbar wurde auch, mit wieviel Herzblut sie dabei sind und wie emotional schwer es für sie ist, aus dem Kader die vier auszuwählen, die sie in das olympische Boot setzen. Ich denke: So muss es sein, die Medaille hat immer zwei Seiten. Wir sind alle, die einen wie die anderen, (nur) Menschen.

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