Rudern und drumrum

#rudern

Ich habe mich auf Instagram dem Hashtag „rudern“ angeschlossen. Um mal wieder Wikipedia zu bemühen: Ein Hashtag ist „ein mit Doppelkreuz versehenes Schlagwort, das dazu dient, Nachrichten mit bestimmten Inhalten oder zu bestimmten Themen in sozialen Netzwerken auffindbar zu machen“. Seither bekomme ich deutlich mehr Likes auf meinem Account als zuvor. Obwohl ich kaum neue Bilder poste, was an der trüben Jahreszeit liegt, die wenig inspirierend wirkt. Außerdem gehöre ich nicht der Generation Z an, sondern bin „digital nachsozialisiert“. Meine Leidenschaft für die sozialen Medien hält sich in Grenzen. Allerdings, Instagram hat mich inzwischen ganz schön am Wickel, und ohne Smartphone verlasse ich ungern das Haus. Für den Einsatz auf dem Ruderboot habe ich noch nicht die optimale Lösung gefunden. Es bedeutet im Normalfall anhalten, Boot stabilisieren, das Gerät rauskramen und vor allem schnell agieren. Die besten Motive ziehen oft undigitalisiert vorbei. 

Was macht dieses Soziale Medium mit mir?

Erstaunlich viel. Es greift tatsächlich sehr weitreichend in mein Leben ein. Das einfachste, von dem jeder schon gehört hat, ist, dass es einen erheblichen Teil meiner Zeit beansprucht. Die Wochenstatistik, die mir mein Smartphone unaufgefordert zur Verfügung stellt, zeigt erstaunliche Werte, die in meinem Fall ganz klar auf das Konto von Instagram gehen. Ich bin schon ein bisschen süchtig nach Bildern, und wenn sie mit dem Rudern zu tun haben, macht es klick in meinem Gehirn und ich muss genauer hinschauen. Wer rudert da, wo, und wie? Eigentlich will ich es genauer wissen, doch da sind mir mit dem Medium Grenzen gesetzt, allein schon durch die Fülle an Posts. Ich kann nicht jedem nachgehen. Aber irgendwie bin ich doch – zumindest im Kopf – international unterwegs und stelle mir vor, wie ich hier oder da oder dort mitrudern würde. Im einen oder anderen Fall ist dies durchaus realistisch, Hashtags wie wanderrudern oder coastalrowing liefern interessante Reise-Inspirationen.

Die Vogalonga ist so ein Ziel. Eigentlich braucht sie die Publicity durch die sozialen Medien nicht unbedingt. Aber vielleicht ist sie durch sie auch erst so populär geworden, wie sie ist. Vogalonga-Hashtags gibt es jedenfalls reichlich.

Die Reduktion von Komplexität

Was ich auch beobachte: Die Bilder sind immer die gleichen. Okay, wie sollte es anders sein? Die wenigsten von uns sind Profifotografen, und selbst die – die meisten von ihnen – zeigen uns die Welt im irgendwie gewohnten „Format“. Die Bilderflut ist gigantisch geworden, aber wir ertragen nur ein bestimmtes Maß an Komplexität. Wir sind wie Kinder. Die schauen sich mit gleichbleibender Begeisterung die immer gleichen Bilder an und freuen sich darüber, dass sie diesen Teil der Welt schon kennen. Ich werde auch nicht müde, die immer gleichen Motive zu betrachten: Ruderer im Skiff auf Wasser vor Landschaft, Ruderer trägt Boot, lässt Boot zu Wasser, mehrere Ruderer rudern im Zweier, Dreier, Vierer, Achter, Wasser glatt, Wasser wellig, Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Ruderer in Siegerpose, Ruderer erschöpft … Wie einfach die Welt doch ist.

Ab und zu was Lustiges

Und ich möchte dazugehören

Das Wetter ist schlecht, hier in der Region herrscht gerade nicht so Rudersaison. Ich gebe mich der Bilderflut hin. Andernorts wird trotzdem noch eifrig gerudert (oder sind die Bilder nicht aktuell?) oder auf dem Ergo Leistung erbracht. Ich überlege: Soll ich das Titelbild von diesem Beitrag (siehe oben) auf Instagram posten? Ich befinde mich momentan in einem Formtief, ab und zu schleppe ich mich zum Ergotraining, um den Anschluss nicht ganz zu verlieren. Was ich dort produziere, kann sich eigentlich nicht sehen lassen. Die Community dagegen lässt es krachen und zeigt, was er/sie kann:

Ich gehöre dazu und sortiere mich ein. Wie meine Entwicklung aussieht und welche Erfolge (oder Misserfolge) ich erzielt habe, braucht die Gemeinschaft nicht zu wissen. Für lange Geschichten ist dieses Medium nicht geeignet, und das muss auch nicht sein. Geschichten erzählen kann ich an anderer Stelle. Zum Beispiel hier, wo ich mich eher einsam fühle, aber mich ausbreiten kann. Auf Instagram dagegen bekomme ich schnelle Likes, Anerkennungs-Konfetti, und fühle mich schnell und kurzzeitig gut.

Die Krake Kommerz

Einen Vorteil hat, wer mit dem Medium umgehen kann. Was im Übrigen für alles gilt, insbesondere in der IT-Welt. Ich bin da ja eher Dilettantin und lerne erst langsam, die Tools zu benutzen und was sie bedeuten. Also: Hashtag. Es hat eine Weile gedauert, bis ich begriffen habe, wie die ganze Sache funktioniert. Sie ist faszinierend, die große Vernetzung. Und was kommt jetzt? Ich muss immer erst dreimal hinschauen, weil es so verteufelt persönlich aussieht, aber vieles ist inzwischen Kommerz. Bezahlte Anzeigen erkenne ich und habe mich dran gewöhnt. Der kommerzielle Charakter zunehmend vieler Posts erschließt sich erst beim genaueren Hinschauen. Ich beobachte mich dabei, wie ich abwäge, und die meisten kleinen Verkaufsaktionen finden meine Sympathie. Noch. Frustrierend finde ich die Aussicht darauf, dass auch dieses Medium irgendwann so weit sein wird, dass es nur noch darum geht – nicht „Wer verkauft/präsentiert sich gut?“, sondern „Wer verkauft was gut?“. Wahrscheinlich ist es unendlich naiv, sich vorzustellen, dass ein modernes, soziales Netzwerk frei von kommeziellen Interessen sein könnte. Wikipedia ist ein Leuchtturmprojekt und verdient unsere Unterstützung (Meine hat das Medium auch in 2018, denn nur so geht werbefrei). Instagram ist Spaß, liefert, wenn man genau hinschaut, ein bisschen Information, und ist Ausdruck unserer individualisierten Welt, die viel weniger individuell ist, als wir denken.

Erklärung/“Entschuldigung“

Für mein Empfinden habe ich in diesem Beitrag echt viele Anglizismen verwendet. Finde ich selber nicht toll, aber auch hier gilt: Mitmachen, dazugehören. Und wie sollte man zum Beispiel das Wort Hashtag auch übersetzen? Es ist eine eigene Sprache, die sich da entwickelt, über die man sich ärgern kann, die man belächelt oder akzeptiert.

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