Das südliche Ufer des Ammersees ist für die meisten von uns Ruderern „Terra incognita“. Fester Bestandteil unserer „südlichen Runde“, nehmen wir den Abschnitt zwischen Dießen und Aidenried als verschilft wahr, als sumpfigen Rand des Naturschutzgebiets, wir wahren Abstand zu den Vögeln, die sich hier aufhalten, und passen unsere Position dem ungleichmäßigen Uferverlauf an. Nur wenige werden wissen, was es mit der Schwedeninsel auf sich hat, weshalb wir sie in der Regel unbeachtet links bzw. steuerbords liegen lassen. Dabei verbirgt sich hier ein interessantes Stück Geschichte.
Die Ammer, die sich früher ihren Weg frei suchen konnte, hatte ihren Zulauf eine Zeitlang an der Stelle des Erlaichs (später auch: Schwedeninsel). Davor nahm sie den Verlauf der Altammer und kehrte später wieder dorthin zurück. In beiden Fällen war die Ursache, dass sich durch herbeigeschwemmte Ablagerungen Rückstaus gebildet hatten. An der Stelle der Schwedeninsel war ein Wasen entstanden, eine Ansammlung von Schilf, Ästen, Baumstämmen usw., die sich schwimmend immer mehr verdichtet und auf ihrer Oberfläche durch Fäulnis eine Humusschicht bildet. Über Jahre lässt die Humusschicht Schilf, Büsche und Bäume (u. a. Erlen) wachsen, deren Wurzeln sich mit dem Untergrund fest verbinden. Bis zum Ende des 30-jährigen Krieges 1648 und während der spanischen Erbfolgekriege 1701-1714 hatte der Erlaich für die Menschen der Umgebung eine wichtige, lebensrettende Funktion als Zufluchtsort. In der Chronik von Dießen heißt es:
1632: Am 27. Mai kamen einige betrunkene Schweden nach Fürholz und äscherten dort 7 Häuser ein. Als die Leute aus den Häusern liefen, um zu löschen, erschossen die Schweden einige und warfen sie in das Feuer. Um den schauerlichen Quälereien zu entgehen, mussten sich die Bewohner von St. Georgen in die Wälder flüchten. … Die meisten Dießener dagegen, besonders die Fischer, brachten volle 3 Wochen auf dem Erllaich zu. … Es entstand eine furchtbare Hungersnot. Wurzeln, Holzäpfel und Holzbirnen galten als Leckerbissen.
Und weiter:
1704 nach den unglücklichen Schlachten am Schellenberg war Bayern der Gewalt der Österreicher ganz überantwortet. Rasch drangen dieselben vor und besetzten alle bedeutenden Orte. Alles rüstete sich daher wieder zur Flucht. Die Chorherren flohen am 1. Juli nach München, die hiesigen Einwohner bezogen den Erllaich. Um vor jedem Überfalle sicher zu sein, wurden alle Schiffe mitgenommen. Auf dem sumpfigen und schwankenden Boden des Erllaich wurden ca. 100 notdürftige Hütten gebaut, in welchen 1300 Menschen wohnten, die Kinder nicht mitgerechnet.
1899 kaufte der Unternehmer Heinrich Buz das Grundstück und sorgte durch Kiesaufschüttungen dafür, dass aus dem Wasen eine solide Insel wurde. Ein Blockhaus wurde errichtet, ein Boots- und Badesteg angelegt. Nach verschiedenen Eigentümerwechseln überließ der Maler Treumann das Blockhaus dem Ehepaar Alois und Therese Beer, die dort Anfang der 20er Jahre ein Café einrichteten.
Es wurde schnell zu einem begehrten Ausflugsziel, und die Fischer in Dießen und Herrsching boten Motor- und Ruderboote an für den Transfer. Zeitzeugen schwärmen noch heute von dem dort servierten Walderdbeer-Kuchen – eine Köstlichkeit, die man heute wohl nur noch in privaten Haushalten findet. Wenn überhaupt.
Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde der Südteil des Ammersees zum Übungsgelände der Luftwaffe, und das Idyll nahm ein jähes Ende. Ein Leuchtspurgeschoss vernichtete schließlich das Café Beer. Nach dem Krieg wurde erneut ein Haus auf der Insel errichtet, dieses Mal aus Stein, und unter Leitung einer Familie Gerling wiederum ein Café betrieben. Anfang der 60er Jahre war mit dem Cafébetrieb endgültig Schluss, das Haus allerdings noch nicht aufgegeben. Seine Bewohnerin, eine Anwältin, sei lange Zeit jeden Tag mit dem Boot an Land zu ihrem Auto gerudert, um dann nach München in ihre Arbeit zu fahren, berichtet Horst Reimann, meine Quelle. Erst vor wenigen Jahren wurden die Überreste des Wohnhauses abtransportiert. Seither dient die Schwedeninsel uneingeschränkt dem Naturschutz.
Das südliche Ende des Ammersees, das unter starker Verlandung leidet und auf das heute kaum mehr ein Mensch seinen Fuß setzt, war einst ein belebter und wichtiger Teil regionalen Lebens (Darüber wird noch mehr zu berichten sein). Die Zeiten haben sich geändert, ob zum Guten oder Schlechten, da scheiden sich die Geister.
Inhalt und Bilder übernommen aus „Geschichte und Geschichten“, Ausgabe 6, des Freundeskreises Ortsgeschichte Pähl-Fischen.
Erlaich, Erllaich, der, die, das – all dies findet sich in der Literatur. Ich habe mich für „der Erlaich“ entschieden.
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