Logbuch Südafrika 2017/18 Teil 2 von 13
Ankunft 19. Dezember 2017, 6:45 Uhr. Das Gute bei einer Reise an immer wieder denselben Ort ist, dass man sich auskennt. Jedenfalls so ungefähr. Stressfrei besorgen wir uns SIM-Karte und Auto, schalten dieses unglaublich tolle Navigationsprogramm „here“ an, mit dem man sich über GPS, also ohne Internet, führen lassen kann, und steuern direkt in das nächstgelegene Township. Unbeabsichtigt natürlich, und das Programm kann auch nichts dafür. Die Software mahnt die ganze Zeit, man möge bitte die nächste Ausfahrt nehmen, aber man kennt sich ja aus, oder? Irgendwann verliert man schließlich doch die Nerven und fährt raus. Wir merken es nicht sofort. Einfach und schmucklos sieht es hier schon mal aus, wenn man sich abseits touristischer Pfade bewegt. Aber als die Häuser immer weniger Standfestigkeit aufweisen, die Straßen immer schmaler werden und die Blicke der Passanten immer grimmiger, wird uns klar, wo wir sind und ziemlich mulmig. Zwei müde Bleichgesichter hinter dem Steuer eines Leihwagens, einen großer Reisekoffer auf der Rückbank – das ist so ziemlich genau das, wovor jeder Reiseführer warnt. Aber offenbar sind die Bewohner, denen wir begegnen, genauso überrascht wie wir.
Natürlich kommen wir mit heiler Haut da raus. Es ist für mich weniger die Angst, dass uns etwas passieren könnte. Das Unbehagen, das ich empfinde, hat seinen Ursprung woanders. Ich stelle mir vor, was die Menschen, die uns an diesem Ort begegnen, über uns denken. Die Rollenverteilung ist nun einmal so: Wir die reichen Weißen, und die diejenigen, die nichts haben. Wir auf der Sonnenseite des Lebens. Da mag ihnen noch so viel Sonne auf die Wellblechhütten scheinen – im Gegenteil, wenn man keinen Job hat, kein Geld, keine Perspektive und bald vielleicht kein Wasser mehr, könnte man die Sonne vermutlich oft verfluchen. Und jetzt kommen wir und glotzen.
In der Watershed, einer Verkaufshalle an der Victoria&Alfred Waterfront, dem Einkaufsmekka Kapstadts, entdecken wir einen Stand mit Elektrogitarren, die aus einem Township kommen (?), und sind hingerissen. Sogar der Sound überzeugt; die Liste der Referenzen ist lang. Jeder findet das gut. Ich kann trotzdem nicht anders als auch hier wieder ein Fragezeichen an meine eigenen Gefühle zu setzen. So etwas möchte ich haben, zuhause herzeigen und als putzige Erinnerung in der Wohnung aufstellen. Auch wenn meine Skrupel niemandem nützen, ich spüre sie auf Schritt und Tritt, Gelegenheit dazu gibt es hier genug. Und nicht nur hier übrigens.
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