Derrick Read – Feel the Bubbles

Als ich im Dezember Südafrika einen Besuch abstatte, der immerhin fast 4 Wochen intensiven Ruderns mit dem Cape Coastal Rowing Club in Simon’s Town beinhaltet, ist Derrick gerade außer Gefecht gesetzt. Ihn hat die Ruderhexe erwischt. Die Ruderhexe ist eine gute Bekannte von mir. Sie trifft Leute, die bei eher kühler Witterung in Boote steigen, ungefähr beim dritten Zug, und macht sie gefechtsunfähig. Gern tritt sie auch Ruderer, die gerade Boote heben oder drehen, ins Kreuz. Derrick macht zum ersten Mal Bekanntschaft mit ihr, dafür gründlich, und es ist rührend mit anzusehen, wie sich seine Mannschaft um ihn sorgt. Per WhatsApp kann ich das verfolgen, die Anteilnahme, die guten Wünsche.

Dass es so ist, hat seinen Grund. Derrick ist die Autorität im Club, wenn es um Technik geht, und nebenbei ist er auch noch Gründer des Clubs. Mit seinem Hochleistungsfernglas entgeht ihm selbst im Krankenstand von seinem Panoramafenster aus nichts, was seine Eleven da unten auf dem Wasser so treiben. Und die schwören auf ihn.

Der Mann ist 73 und hat fantastisches erlebt. Angefangen zu rudern hat er als junger Mann an der Uni in Johannesburg. Talentiert genug, konnte er sich in Südafrika schnell an die Spitze zu rudern. Wobei er meint, das Selbstbewusstsein sei nicht allzu groß gewesen, Südafrika gehörte damals wirklich nicht zu den Big Playern. Trotzdem hat es ihn und sein Team in den Fingern gejuckt, auf der großen Bühne mitzuspielen. Mexiko 1968, das wäre es gewesen. Aber aus politischen Gründen kam eine Teilnahme an der Olympiade nicht infrage. Derrick und seine Frau Allison gingen stattdessen nach England, bekamen eine Arbeitserlaubnis, blieben drei Jahre. In dieser Zeit wurde auch intensiv gerudert und trainiert, und als Derrick nach Südafrika zurückkam, war er so fit, dass er das Team der University of the Witwatersrand in Johannesburg coachen konnte. Das tat er mit solchem Erfolg, dass diese das Team der University of Capetown zum ersten Mal in ihrer Geschichte schlagen konnten. Das Ende vom Lied war, dass er beide Teams coachte. Verrückte Sache, Anfang der Siebziger, jedes Wochenende von Johannesburg nach Kapstadt eingeflogen zu werden. Heute ist so etwas alltäglich.

1980 kam über „dunkle Kanäle“ eine Einladung zur 8. Fisa Masters Regatta in Dänemark. Diese Gelegenheit konnten sich Derrick und sein Team nicht entgehen lassen. Als Engländer getarnt und ohne große Erwartungen trat man dort an – und gewann. Die Jungs hatten es echt drauf, mussten sich nach ihrem Sieg aber ruckzuck aus dem Staub machen, da sie sonst aufgeflogen wären. Man kann es sich nicht vorstellen, dass die Sieger einfach verschwinden. Aber so war es. Die sind weiter gefahren nach Amerika, haben dort weniger gute Erfahrungen gemacht, nicht weil sie nicht gut gerudert wären, sondern weil sie schlecht behandelt wurden. Möglicherweise eine Spätfolge kolonialen Denkens.

In den 60ern
In den 60ern
In den Achtzigern
In den Achtzigern

Derricks Ruderkarriere weist zahlreiche große und kleinere Siege auf. Unter anderem haben er und sein Team auf dem Weg nach Dänemark in Deutschland Vereine aus Mühlheim und Frankfurt am Main im Regen stehen lassen.

Woher der Erfolg? Derrick schwört, dass es sehr viel mit Technik zu tun hat. Er widerspricht vielem, was ich und andere darüber gelernt haben. Wenn ich seinen Club heute beobachte, bin ich geneigt, ihm Recht zu geben. Die rudern wirklich gut, sehr sportlich, unter teilweise schwierigen Bedingungen. Ich sage es ungern, aber ich glaube, sie sind besser als wir. Ich könnte mir auch vorstellen, dass die besondere Situation Südafrikas bis in die 90er Jahre, mit dem auf der Apartheid begründeten Boykott, eine Rolle gespielt hat. Der Wunsch, sich durch außergewöhnliche Leistung aus der Isolation zu befreien, wäre gut nachvollziehbar. Hinzu kommt, dass hier massenhaft sportliche Leute herumlaufen. Unter den weißen Südafrikanern sind viele Typen, die mit ihrem Body etwas anzufangen wissen. Ehrgeiz, Eitelkeit, Coolness oder einfach Spaß an der Sache bei vielfach sehr guten Bedingungen mögen die Gründe sein.

Derrick jedenfalls, der in seiner Firma Sportgeräte hergestellt hat, darunter ziemlich ausgefuchste Rudergeräte, ist vor ein paar Jahren mit seiner Frau ans Kap gezogen, hat diese wunderbare Bucht gesehen, die False Bay, und gesagt, hier muss man doch rudern können. Küstenrudern war erst im Kommen, aber diesen Trend konnte man aufgreifen, und das hat er getan. Um den Trend ging es ihm dabei sicherlich nicht. Faszinierend ist zu sehen, wie er in wenigen Jahren seine Begeisterung an so viele weitergeben konnte, und wie fit seine „Mitspieler“ sind. Der Respekt vor seinem Urteil ist groß, bei allen, was nicht zuletzt daran liegt, dass er es meisterlich versteht zu motivieren. Dass er die Akzente gesetzt hat, ist unumstritten. Und aus meiner Beobachtung würde ich sagen, er wird geliebt. Derrick und Allison sind das Herz des Vereins, sie geben ihm nicht nur Können und Antrieb, sondern bilden auch eine warme, wohlwollende Mitte, um die herum sich das Geschehen entwickeln kann.

Auch Derricks Frau Alison rudert, hier auf Schlag
Auch Derricks Frau Alison rudert, hier auf Schlag (aus Derricks Fotoalbum)

Ein Name, der im Gespräch mit Derrick immer wieder auftaucht, ist Valerie Kleshnev. Seine Erkenntnisse scheinen sich mit denen Derricks weitgehend zu decken. Es kann nichts schaden, den Namen mal oben in das Adressfeld einzutippen.

Zum Schluss noch ein Exkurs nach Deutschland. Dorthin hat Derrick lebhafte Verbindungen. Durch eine Bekanntschaft mit einem in Südafrika tätigen deutschen Ingenieur ist eine Freundschaft mit einem Verein entstanden, dem ORVO (Oldenburger Ruderverein Oldenburg). Von Zeit zu Zeit rudert man gemeinsam, auf der Weser z. B., auf dem Lot im Südwesten Frankreichs, 2015 auf der Donau. Ein Auszug aus dem Vereinsmagazin von 2010 gibt interessante Einsichten in die unterschiedlichen Mentalitäten, die hier aufeinander treffen.

Unter „Lessons learned oder: Das ABC des Wanderruderns“ findet sich zum Thema „T wie Technik des Ruderns“ folgendes:

Text ORVO

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